‘Es war vor 35 Jahren, als nur ein Vogel in den Westen fliegen konnte, fliehen, ohne erschossen zu werden. Ich hatte zwar keine Flügel, aber einen Brautschleier. Und er trug mich über die Grenze und über einige andere noch, bis nach Deutschland.
Ich bin da. Endlich. Mitten im Herzen des Kapitalismus! Ach, wie duftet mir der verfaulende Kapitalismus! Wer das gesagt hat, weiß ich nicht mehr, ist auch egal. […] Niemand rempelt mich an. Niemand kommt mir zu nahe. Niemand duzt mich. Keiner schiebt mir verwelkte Nelken unter die Nase. Keiner schlägt mir auf die Schulter. Keiner empfängt mich mit nassen Küssen, Zwiebelatem und dem Versprechen, mich direkt zu besuchen, sobald ich meine Hauspantoffeln angezogen habe. Keiner wühlt seine dicken Finger in meine Frisur, als wäre ich drei Jahre alt, keiner schlägt mir freundschaftlich auf den Hintern und freut sich, dass ich zugenommen habe.’
Rumjana Zacharieva ist deutschsprachige Schriftstellerin bulgarischer Herkunft. Bereits im Alter von 14 Jahren veröffentlichte sie erstmals Gedichte in der überregionalen Presse Bulgariens. 1970 machte sie ihr Abitur am Englischsprachigen Gymnasium in Russe an der Donau und siedelte danach in die BRD über. In Bonn studierte sie englische und slawische Philologie. Zacharieva schreibt und publiziert ausschließlich auf Deutsch: Prosa, Lyrik, Hörspiele, Features, Kindergeschichten. Ihr Theaterstück »Sternenjagd« wurde 2009 im Severins-Burg-Theater Köln uraufgeführt. Im Horlemann Verlag erschienen von ihr bisher »7 Kilo Zeit« und »Bärenfell«.
Die Lesung findet im Rahmen von Europa.Morgen.Land statt,unsere erfolgreiche Literaturreihe mit neuer deutscher Literatur.
Die Lesungen finden wieder in Kooperation (Kulturamt Mannheim, Kulturbüro Ludwigshafen,
KulturQuer-QuerKultur Rhein-Neckar e. V. mit
Kultur Rhein-Neckar e. V.)
und alternierend in Mannheim und Ludwigshafen
statt.
Eintritt: 6,– / 4,– Euro (ermäßigt)