Vom 20.-28. September 2005 reisten VertreterInnen von Kultur Rhein-Neckar e.V., der Pädagogischen Hoch-schule Heidelberg, der Evangelischen Akademie der Pfalz, der Caritas Beratungsstelle Ludwigshafen sowie ITAL-UIL Ludwigshafen nach Cattolica Eraclea im Süden Siziliens.
Auf der Studienfahrt in den Ort, aus dem nahezu zweidrittel der Einwohner emigrierte, konnte wichtiges Material für die Ausstellung „Anellino“ zusammengetragen werden. Vom 15. Dezember 2005 bis 23. März 2006 wird Kultur Rhein-Neckar zusammen mit dem Stadtmuseum Ludwigshafen in dessen Räu-men die Ausstellung über die Geschichte der Italiener in Ludwigshafen präsentieren.
Mit dem Besuch neigt sich zugleich das einjährige Projekt „Die Welt, die Migranten schufen – Die Ent-deckung deutscher Alltagsgeschichte in der Zeitzeugenarbeit“, eine Kooperation der Ev. Akademie der Pfalz, der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und Kultur Rhein-Neckar e.V., dem Ende zu. Die in Cattolica Eraclea dokumentierten Interviews und Filmsequenzen werden in einem abschließenden Se-minar nun zusammen mit den bereits bearbeiteten Aufnahmen aus Ludwigshafen zu einem Dokumentarfilm verarbeitet.
Studienreise bringt viele neue Erkenntnisse
Auf der Studienreise vom 20.-28. September 2005 nach Cattolica Eraclea, Sizilien, wurden wichtige Ziele er-reicht: Zum einen konnte wesentliches Material für die Ausstellung „Anellino“ zusammengetragen werden. Zum anderen konnten für das Projekt „Die Welt, die Migranten schufen – die Entdeckung deutscher Alltagsgeschichte in der Zeitzeugenarbeit“ die noch fehlenden Interviewpartner befragt und umfangreiches Filmmaterial erstellt werden.
In einer Kooperation der Ev. Akademie der Pfalz, der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und Kultur Rhein-Neckar e.V. beschäftigten sich GeschichtsstudentInnen über ein Jahr hinweg mit Fragen der Zeitzeugenarbeit.
Am 20. Dezember jährt sich der Anwerbevertrag mit Italien zum 50. Mal. Die Unterschrift war der Startschuss für die (Bundes-)deutsche Migrationsgeschichte. Die Arbeitsmigration der Nachkriegszeit hat viele Bereiche des gesellschaftlichen und persönlichen Lebens verändert, die individuellen Geschichten der MigrantInnen und ihrer Familien sind aber weitgehend unbekannt geblieben. Das Sichtbarmachen dieser Geschichte – mit unterschiedli-chen Mitteln – war das gemeinsame Anliegen der Projektpartner.
Im Mittelpunkt der Reise standen viele Gespräche und Interviews. Für den geplanten Film wurden vor allem Per-sonen der sogenannten Zweiten Generation befragt: Welches Selbstverständnis haben die Kinder der ehemali-gen Gastarbeiter, wie erfahren sie selbst ihre doppelte kulturelle Zugehörigkeit und welche Zukunftsvisionen haben sie?
Neben der „italienischen Perspektive“ von Verantwortlichen des öffentlichen Lebens in Cattolica Eraclea – wie dem Bürgermeister Dr. Aquilino oder dem Pfarrer Don Nazzareno – wurden insbesondere auch junge Menschen befragt, die jährlich zwischen Ludwigshafen und Cattolica pendeln oder ganz nach Sizilien zurückgekehrt sind. Ausgewählt wurde die kleine Gemeinde in Südsizilien, da die Mehrzahl der ehemaligen EinwohnerInnen den Ort seit den 50er Jahren verlassen hat und viele der Migranten nach Ludwigshafen übergesiedelt sind.
„Es hat mich sehr berührt „alte Ludwigshafener“ in Sizilien zu treffen, Menschen, die über lange Zeit in Ludwigs-hafen aktiv waren, die im Rentenalter zwischen Sizilien und Deutschland pendeln – und für die zwei Heimaten selbstverständlich sind!“ Für die geplante Ausstellung gab die Reise reichlich Anregung.
„Am Eindrücklichsten war für mich, dass Menschen über Generationen und große Distanzen hinweg in zwei Kulturen leben, sich beiden zugehörig fühlen und doch auch immer wieder mit tiefen Enttäuschungen von beiden Seiten fertig werden müssen. Wie schwer es also für diese Menschen ist einen Ort zu finden, an dem sie nicht nur leben oder dem sie sich emotional zugehörig fühlen, sondern der für sie Lebensmittelpunkt und Heimat in einem ist“ sagt Georg Wenz von der Ev. Akademie der Pfalz.
Dass der Aufenthalt zu einem so großen Erfolg wurde, ist auch maßgeblich der Vermittlung vor Ort durch Frau Silva Burrini (Caritas Beratungsstelle Ludwigshafen) und Herrn Domenico Dangelo (ITAL-UIL Ludwigshafen) zu verdanken. Frau Burrini, die seit Anfang der 60er Jahre italienische Migranten betreut und Herr Dangelo, versorg-ten die Gruppe darüber hinaus mit wertvollen Hintergrundinformationen und leisteten unverzichtbare Hilfe bei der Simultanübersetzung. Silva Burrini wurde auf der Piazza mit Blumen empfangen, mit der sich Familien bei Ihr für die langjährige Beratung und Betreuung bedankten. Domenico Dangelo, der 1986 im Alter von 18 Jahren seiner Familie nach Ludwigshafen folgte, erlebte die Reise die Möglichkeit, seine Heimatstadt Cattolica Eraclea und deren Bewohner mit anderen Augen, aus einem anderen, neuen Blickfeld, zu betrachten.
Die Ergebnisse der Reise werden derzeit an der Pädagogischen Hochschule in einem abschließenden Seminar mit den bereits in Ludwigshafen gedrehten Interviewaufnahmen zu einem Dokumentarfilm verarbeitet. Für die Anleitung und Betreuung konnte ebenso wie für die Aufnahmen auf Sizilien der mehrfach ausgezeichnete Filme-macher und Kameramann Jürgen Schaaf gewonnen werden. Der Film wird im Rahmen der Ausstellung gezeigt werden. Auch die Künstlerin Ursula Steuler wird mit einem Werk die Reiseeindrücke verarbeiten und damit die Ausstellung ergänzen.
Mitglieder der Reisegruppe
1. Dr. Bettina Alavi (Pädagogische Hochschule Heidelberg)
2. Silvia Burrini (Caritas Beratungsstelle Ludwigshafen)
3. Domenico Dangelo (ITAL-UIL Ludwigshafen)
4. Eleonore Hefner (KRN)
5. Domenico Menale (ITAL-UIL Ludwigshafen)
6. Jürgen Schaaf [Filmregisseur und Kameramann] 7. Julia-Katharina Sonnenwald (Pädagogische Hochschule Heidelberg)
8. Ursula Steuler (Künstlerin)
9. Dr. Georg Wenz (Evangelische Akademie)
10. Steffen Frohs (Pädagogische Hochschule Heidelberg)